Sanierungsgebiete

Ein Jugendhaus für Balingen – Planen im Dialog

Das neue Jugendhaus in traumhafter Lage in den Eyachauen wurde im September 2021 feierlich eingeweiht. Zusammen mit Aktivpark und Skateanlage ist ein nachhaltiger Ort für junge Menschen entstanden.

Jugendhaus - Ansicht von der Hindenburgstraße

Beispielhafte Jugendbeteiligung

In einer groß angelegten Jugendbeteiligung befragte Erik Flügge von der S&N Kommunalberatung aus Köln rund 600 Schülerinnen und Schüler in 25 Schulklassen unterschiedlicher Schularten. Die Wünsche wurden in Graphic Recordings bildlich festgehalten und den zehn teilnehmenden Architekturbüros, die sich über einen europaweiten Teilnahmewettbewerb qualifizierten haben, übergeben. Ein Komitee aus Jugendlichen, Gemeinderäten und Verwaltung wählte die besten drei Entwürfe aus, um diese per WhatsApp-Broadcast mit rund 300 Jugendlichen in zwei Durchgängen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. In einer Abschlussveranstaltung im Mai 2018 nutzen rund 100 Jugendliche die Chance, ihre Bewertung zu den Arbeiten per Fragebogen anonym abzugeben. Im Juli 2018 vergab der Gemeinderat den Auftrag an das Büro berger röcker gork architekten aus Stuttgart.

Kurze Bauzeit dank Holzbauweise

Vom Spatenstich im September 2019 zum Richtfest im März 2020 dauerte es dank der innovativen Holzbauweise nur sechs Monate. Mit der großzügigen Terrasse hat das Gebäude einen unvergleichlichen Freiraumbezug in die Parkanlage an der Eyach. Seit der Eröffnung im Juni 2021 dürfen die Jugendlichen das rund 720 qm große Gebäude mit variabel schaltbaren Café- und Veranstaltungsräumen, Trampolinraum, Räumen zum Chillen sowie Tanz-, Sport- und Bandproberaum in Beschlag nehmen und mit Leben füllen

Schwerer Abschied von der alten „Insel“

Das Jugendhaus „Insel“ war eine Institution, die die Balinger nur schweren Herzens aufgaben. Das 1894 als Schwefelbadgaststätte errichtete Gebäude war von 1980 bis 2021 für Generationen von Jugendlichen ihre zweite Heimat. Die Gebäudesubstanz war altersbedingt derart schlecht, dass eine Instandsetzung nicht infrage kam. Mit den Planungen zur Gartenschau ergab sich die Option, das neue Jugendhaus in direkter Nähe zum Aktivpark an der Eyach zu verorten.

Am Anfang standen neun Ideenskizzen

Über einen offenen europaweiten Teilnahmewettbewerb zum Neubau des Balinger Jugendhauses hatten sich insgesamt 18 Architekturbüros beworben. Zehn Bewerber wurden aufgrund streng formaler Eignungskriterien für das weitere Verfahren zugelassen.

Die Aufgabenstellung zum Jugendhausneubau wurde am 5. Februar 2018 an die Architekten ausgegeben. Darin waren die Bedürfnisse und Belange aller Beteiligten eingeflossen, insbesondere jedoch die Wünsche und Anregungen (5,4 MB) von rund 600 Schülern: Das Gebäude soll zukunftsfähig entwickelbar, breit bespielbar und vor allem auch von außen als Jugendhaus deutlich erkennbar sein. Durch mehrfach genutzte Räume sollen Flächen gespart und das Kostenbudget von rund 2 Mio. Euro gehalten werden.

Die Planer hatten knapp drei Wochen Zeit, erste Ideenskizzen zu fertigen. Neun von zehn zugelassene Büros haben am 27. Februar 2018 ihre Arbeiten eingereicht. Trotz des knappen Zeitraums haben die Planer gut durchdachte Beiträge von erstaunlicher Bearbeitungstiefe eingereicht. Ein Komitee aus Jugendlichen, Gemeinderäten, Mitarbeitern aus dem Baudezernat und dem Amt für Familie, Bildung und Vereine stand am 2. März 2018 vor der schwierigen Aufgabe, aus neun eingereichten Entwürfen die besten drei auszuwählen, um diese im weiteren Verfahren per WhatsApp-Broadcast mit rund 300 Jugendlichen zu diskutieren.

Zweistufige Online-Beteiligung

Nach der ersten online-Beteiligungs-Woche Anfang März setzte sich das Komitee am 12. März 2018 unter der Moderation von Erik Flügge zusammen, um den drei Architektenteams im direkten Dialog das erste Feedback der Jugendlichen (1,1 MB) sowie die Belange des Kinder- und Jugendbüros, des Baudezernats sowie der Fraktionsvertreter zu übermitteln. Die Planer haben daraufhin ihre Entwürfe weiterentwickelt und gemäß den Anregungen überarbeitet.

Anfang April wurden die überarbeiten Entwürfe erneut eine Woche lang online diskutiert. Dabei zeigten sich die Jugendlichen begeistert davon, dass ihre Anregungen ernsthaft und konsequent umgesetzt wurden. In über 400 interessierten und qualifizierten WhatsApp-Beiträgen wurden die weiterentwickelten Entwürfe abermals bewertet, kritisiert und mit Verbesserungsvorschlägen bedacht. Wie bereits ein Monat zuvor wurde am 9. April 2018 das zweite Feedback der Jugendlichen (2,7 MB) den Planern im persönlichen Gespräch mitgegeben.

Jugendliche bewerten Entwürfe in der Mensa

In der Abschlussveranstaltung am 4. Mai 2018 in der Mensa Längenfeld haben die drei Architektenteams ihre finalen Lösungsvorschläge vor einem Publikum aus Jugendlichen und Gemeinderäten präsentiert und erläutert. Rund 100 Jugendliche nutzten die Chance, ihre Bewertung zu den Arbeiten per Fragebogen anonym abzugeben. Die anschließende Auswertung durch das Team um Erik Flügge ergab, dass je nach Alter, Geschlecht und Schulart ganz unterschiedliche Präferenzen vorlagen:

Der Entwurf von härtner ito architekten/Atelier Härtner (2,4 MB) kam gerade bei der wichtigen Zielgruppe der 13 bis 15-Jährigen nicht so gut an. Insgesamt lag zwischen der schlechtesten und der besten Bewertung fast eine ganze Schulnote. Bei der Arbeit von Reichert.Schulze Architekten (8,3 MB) gingen die Bewertungen sogar um 1,5 Noten auseinander. Insbesondere bei den älteren Jugendlichen und jungen Volljährigen verlor der Entwurf an Zustimmung. Außerdem war bei dieser Arbeit ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern festzustellen. Die Bewertung der Jungen war um mehr als eine halbe Note schlechter als die der Mädchen. 

Der Entwurf von berger röcker gork architekten (2,1 MB) fand bei den Jugendlichen über die Altersgruppen und über die Geschlechter hinweg gleichermaßen viele Befürworter: Mädchen und Jungen waren sich mit nur 0,09 Noten Unterschied weitestgehend einig. Der Unterschied über die Altersgruppen betrug nur 0,27 Noten.

Abschluss des Vergabeverfahrens

Das Komitee versammelte sich letztmalig am 8. Juni 2018 unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Reitemann zum Abschluss des Vergabeverfahrens. Alle drei Büros präsentierten sich und ihre Arbeit ausführlich. Unter Berücksichtigung des Votums der Jugendlichen gab jedes Komitee-Mitglied individuell seine Bewertung ab. Im Ergebnis hat das Büro berger röcker gork architekten aus Stuttgart unter Berücksichtigung und Wertung aller Zuschlagskriterien den besten Zuschlagswert erhalten. Am 24. Juli 2018 fasste der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss zur Beauftragung des Büros berger röcker gork. Zur rechtssicheren Durchführung des VgV-Verfahrens wurde das Büro Klotz und Partner GmbH aus Stuttgart hinzugezogen.

Förderprogramm „Soziale Integration im Quartier“

Durch die Aufnahme in den Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ (SIQ) von Bund und Land mit einem Bewilligungsvolumen von insgesamt rund 30 Mio. Euro erhielt die Stadt Balingen für einen Jugendhausneubau im Bereich des künftigen Aktivparks in den Eyachanlagen einen Förderzuschuss von 526.000,- Euro.

Voraussetzung für eine Förderung des Jugendhausneubaus war die Lage einem Gebiet der städtebaulichen Erneuerung. Der Gemeinderat leitete deshalb am 13. September 2017 die vorbereitenden Untersuchungen zur Ausweitung des Sanierungsgebietes um den geplanten Jugendhausstandort ein. Am 26. Juli 2018 wurde die Erweiterung des Sanierungsgebietes rechtskräftig.

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