Auch als 2018 der Hambacher Forst, den Aktivisten besetzt hatten, geräumt wird, ist Chatard mit der Kamera dabei. „Die Bilder geben Einblicke in die Lebensrealität und den Alltag der Bewohnerund Bewohnerinnen der betroffenen Dörfer“, schrieb das auf Fotoreportagen spezialisierte Online-Magazin „Emerge“, dessen Förderpreis Daniel Chatard bereits 2020 erhalten hatte. „Sie haben ganz unterschiedliche Formen entwickelt, mit der Umsiedlung umzugehen.“ Seinerzeit beschrieb der in Heidelberg geborene und in Hamburg lebende Fotograf auch, wie er auf das Thema gestoßen war: „Bevor ich mit dem Projekt begann, war ich noch nie im Rheinland und hatte gar keine Vorstellung von der Dimension der Tagebaue. Eine Freundin erzählte mir, dass für den Braunkohleabbau ganze Dörfer zerstört und umgesiedelt werden. Das war mir damals überhaupt nicht bewusst und ich konnte mir das in Deutschland nicht vorstellen. Ich beschloss, mir das anzuschauen – ich dachte, vielleicht finde ich eine Familie, die ich bei der Umsiedlung begleiten und deren Geschichte ich erzählen kann.“ Und Chatard gab auch Einblick in besondere Herausforderungen, die das Projekt für den Fotografen bereitgehalten hatte: „In den meisten Situationen war es kein Problem, sich an den besetzten Orten zu bewegen. Schwieriger war es bei der Räumung des Hambacher Waldes 2018, bei der die Polizei die Räumungsgebiete großflächig abgesperrt hat. Es war teilweise unmöglich, ein gutes Foto zu machen. Bei einer Protestaktion des Aktionsbündnisses ‚Ende Gelände‘ stürmte ein Polizist mit erhobenem Schlagstock auf mich zu, obwohl er mich als Journalisten erkannte. Das war aber eher eine Ausnahmesituation. In den meisten Fällen war es möglich, gut mit der Polizei zu kommunizieren und sich nicht gegenseitig bei der Arbeit zu behindern.“ Einen besonderen Fokus legte Daniel Chatard bei seiner Arbeit auf die Schicksale der Menschen, die in den entsprechenden Gebieten leben. Er sagt: „Die einzelnen Schicksale der Menschen sind sehr unterschiedlich. Viele der Umsiedler und Umsiedlerinnen möchten nach ihrem Umzug mit dem Thema abschließen. Sie wollen am neuen Wohnort auch einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Der Prozess hat sehr viel Zeit und Energie gekostet von den Verhandlungen mit RWE über die Planung bis hin zum Wiederaufbau ganzer Orte an den Umsiedlungsstandorten.“ Welche Schicksale dem Fotografen besonders im Gedächtnis geblieben sind und was er den Menschen heute wünscht, erzählt er bei seiner Matinée in der Balinger Zehntscheuer.
Zur Person
Daniel Chatard ist ein deutsch-französischer Dokumentarfotograf und Bildforscher, geboren 1996 in Heidelberg. Er hat einen Abschluss in „Fotojournalismus und Dokumentarfotografie“ an der Fachhochschule Hannover und in „Fotografie & Gesellschaft“ an der Königlichen Akademie der Künste Den Haag. Er studierte für ein Austauschsemester an der Fakultät für Journalismus der Staatlichen Universität Tomsk in Russland. Derzeit lebt er in Hamburg und arbeitet als freiberuflicher Fotojournalist für Medien wie „Die Zeit“, „Der Spiegel“ und „The Washington Post“. Sein Projekt Niemandsland wurde 2024 als Buch bei Eriskay Connection veröffentlicht. Seine Arbeit wurde mit dem World Press Photo Award und einer Silbermedaille des Deutschen Fotobuchpreises ausgezeichnet. Er war Finalist des Leica Oskar Barnack Award und wurde für den Prix Pictet nominiert.
Einlass: 10:30 Uhr - Anmeldung nicht erforderlich.