Prof. Dr. h.c. HANS PFITZNER


Prof. Dr. Hans Pfitzner war Komponist, Dirigent, Pianist und Regisseur und steht heute wegen seiner antisemitischen Einstellung in Kritik. Hans Pfitzner war eine politisch ambivalente Figur und ist ein Fallbeispiel für die Verstrickungen von Kunst und Politik im Dritten Reich.

Hans Pfitzner wurde am 05. Mai 1869 in Moskau geboren und zog mit seinen deutschstämmigen Eltern bald nach Deutschland zurück. Sein Vater, der Musikdirektor Carl Robert Pfitzner und seine Mutter Anne Wilhelmine Henriette Reimer förderten sein musikalisches Talent. Er absolvierte ein Studium der Komposition und Klavier am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main und arbeitete danach zunächst als Dirigent und Kapellmeister. Auch lehrte er 1897 am Stern‘schen Konservatorium in Berlin und folgte 1908 dem Ruf des Straßburgers Konservatoriums, um dort die Position als Operndirektor und Leiter anzunehmen. 1913 folgte die Berufung zum Professor. Seinen künstlerischen Durchbruch erlangte er mit der Uraufführung seiner Oper Palestrina 1917 in München. Privat lebte er mit seiner Familie wohlsituiert.

Doch der verlorene erste Weltkrieg durchkreuzte alle Hoffnungen und Pläne des Komponisten. Da Deutschland das Reichsland Elsass-Lothringen an Frankreich abtreten musste, war Hans Pfitzner gezwungen seine respektable Karriere und seinen Besitz zurückzulassen. Der Fall vom hochangesehenen Operndirigenten zum Vertriebenen habe Hans Pfitzner nie verkraften können. Dieser einschneidende Moment habe Hans Pfitzner negativ verändert. Seitdem stellte er sich feindselig gegenüber vermeintliche Reichsfeinde. Er selbst habe sich bereits 1898 dazu bekannt ein Antisemit zu sein und formte über die Jahre eine abgestufte Variante des Antisemitismus, worin er zwischen deutschnationalen und ausländischen Juden differenzierte. So erklärt sich auch die Tatsache, dass er als überzeugter Antisemit stets seinen jüdischen Freunden während und nach dem Krieg ergeben geblieben ist.     

Im Laufe seines Lebens habe Pfitzner drei deutsche Staatsformen erlebt und erlitten, die auf ihn abfärbten und ihn zunehmend überforderten. Im fortgeschrittenen Alter mangelte es ihm an kritischer Beobachtung seines Zeitgeschehens. Mit dem Beginn des Deutschen Reiches suchte Hans Pfitzner den Kontakt mit den neuen Machthabern. Pfitzner fühlte sich selbst als deutschester aller Komponisten und war seiner Ansicht nach für eine tonangebende Position im Musikgenre geradezu prädestiniert. Egozentrisch, wie er war, fokussierte er sich auf seine Persönlichkeit und sein musikalisches Lebenswerk, sodass er sich deswegen blindlings in die NS-Kulturpolitik hineinstürzte.

Pfitzner habe sich zeitlebens selbst als idealistisch-unpolitisch beschrieben. So interessierte er sich weder für politische Vorgänge noch für den Kriegsverlauf im 2. Weltkrieg. Seine politische Ignoranz führte auch dazu, dass er mit den Größen des NS-Regimes in Misskredit geriet, indem er scharfe Briefe u.a. an den Staatskommissar richtete. Aufgrund seiner differenzierten Ansicht zum Antisemitismus kam es bereits 1923 zum Bruch mit Hitler. Als Professor Pfitzner wegen einer Gallenerkrankung im Schwabinger Klinik lag, besuchte ihn Adolf Hitler, den Pfitzner damals als einen kleinen Volksredner beschrieb. Bei der Konversation kam es wegen den verschiedenen Ansichten des Antisemitismus zum Zerwürfnis. 1931 wird im „Der deutsche Scheinwerfer“[1] die damalige Konversation zwischen den beiden veröffentlicht. Hitler hielt Pfitzner zeitlebens für einen Juden, was eine Abqualifizierung als Komponist bedeutete. Er verlangte bis zu Pfitzners 75. Geburtstag immerfort eine Prüfung seiner Abstammung. Hitler hielt von Pfitzners Werken sehr wenig, weswegen er keiner der zahlreichen Einladungen zu Pfitzner Veranstaltungen folgte. 

Von 1919 bis 1920 war er bayrischer Generalmusikdirektor, wobei er im selben Jahr die Position des Leiters für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste annahm. Es folgte 1929 die Berufung als Professor für Komposition an der Staatlichen Akademie für Tonkunst in München. Dann wurde er 1934 in den Ruhestand versetzt.Da der Hans-Pfitzner-Verein nicht gleichgeschaltet war und auch noch jüdische Mitglieder vorwies, wurde dieser von der NS-Kulturpolitik als unwürdig eingestuft. Im engen Freundeskreis lästerte Hans Pfitzner gegen den Reichspräsidenten. Trotzdem erhielt er 1944 von Propagandaminister Goebbels einen Ehrensold. Auch pflegte Hans Pfitzner eine Freundschaft mit dem Krakauer Generalgouverneur Hans Frank, der 1946 nach dem Nürnberger Kriegsverbrechen hingerichtet wurde.

In der Nachkriegszeit kam die Spruchkammer auf Hans Pfitzner zu. Während er zunächst eine Entlastungskarte erhielt, wurde eine nochmalige Prüfung vorgenommen. Der Musikwissenschaftler Julius Bahle witterte die Chance seinen Erzrivalen nun zu Fall zu bringen. Mit öffentlichen Verleumdungen stellte Bahle Pfitzner als Judenverächter dar und suchte in fanatischer Kleinarbeit nach Anklagepunkte, um seinen Erzfeind endgültig zu vernichten. Die Veröffentlichung eines Artikels Bahles „Hans Pfitzner – ein politischer Komponist“ diente den Richtern als Grundlage der Spruchkammer. Julius Bahle warf Pfitzner vor jüdische Komponisten verspottet zu haben, mit denen er Werke veröffentlicht hat. Hans Pfitzner schrieb daraufhin am 27. Juni 1946 an seinen Biographen Walter Abendroth, dass Julius Bahle nun die Chance wittere seinen Erzrivalen in einem Lügenmeer endgültig zu vernichten und Beweise für seinen Antisemitismus, Antipazifismus, Hitlerfreundschaft und Blutdurst suche.[2] Hans Pfitzner wurde freigesprochen. Er verstarb am 22. Mai 1949 in Salzburg und wurde im Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

© STADTARCHIV BALINGEN

Quellen:
Busch, Sabine: Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus, M&P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart 2001, S. 422.

Adamy, Bernhard (Hrsg.): Hans Pfitzner. Briefe, Tutzing 1991.

[1] „Pfitzners Herz und der Beobachter“, in: Der Deutsche Scheinwerfer. Kampfblatt der nationalsozialistischen Revolutionäre vom 29.11.1931, S. 2.
[2] Brief Hans Pfitzner an Walter Abendroth vom 27.6.1946, (Nr. 932), in: Adamy, Bernhard: Hans Pfitzner. Briefe, Tutzing 1991.